Niemand weiß, wie sich der Polizeiberuf bis 2040 verändern wird. Natürlich gibt es Tendenzen, Spekulationen und Trends, und es gibt Umstände, die absehbar sind, aber gleichzeitig gibt es so viele Unwägbarkeiten, dass eine Voraussage immer spekulativ sein muss. Klar ist: Wie die Gesellschaft ist auch die Polizei im Umbruch. Die Entwicklung der Technik ist rasant wie wohl in keiner Epoche zuvor. Darauf vorbereitet zu sein und damit Schritt zu halten, ist eine der größten Herausforderungen auch für alle Sicherheitsbehörden Nordrhein-Westfalens.
Der »Megatrend« schlechthin ist dabei die Digitalisierung. Ihr kommt in allen Bereichen des öffentlichen Lebens, so auch in Fragen der Sicherheit eines Landes, eine Schlüsselstellung zu. »Dabei geht es nicht darum, sich mit dem Prädikat digital zu schmücken, Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Es muss immer um eine spürbare Erleichterung der täglichen Arbeit gehen«, sagte Innenminister Herbert Reul bei der Vorstellung der neuen Smartphones für die NRW-Polizei. 22.000 Geräte wurden bis zum Frühjahr ausgeliefert sein. Jeder regelmäßig im Außendienst arbeitende Polizist im Land hat nun Zugang zu einem Gerät und den dazugehörigen extra entwickelten Apps. Die NRW-Polizei ist damit die in diesem Bereich bestausgestatte Polizei Deutschlands.
Das Folgeprojekt läuft bereits und erhöht jedes Quartal die Anzahl an Apps deutlich. Beispiele sind der Ersatz der Digitalkamera, die Identifikation mit Hilfe des Fingerabrucks sowie die digitale Unterstützung bei der Aufnahme von Vorgängen. Mit dem mobilen Arbeiten findet ein grundlegender Paradigmenwechsel statt. Die Polizisten werden in Zukunft nicht mehr zur Technik auf die Wache kommen, sondern die Technik kommt zum Polizisten. Vorgänge sollen direkt vor Ort abgeschlossen werden und Informationen sollen zu jeder Zeit verfügbar sein. Hier lohnt sich ein Vergleich mit den technischen Entwicklungen außerhalb der Polizei.
Man ist es gewohnt, dass Informationen jederzeit und überall zur Verfügung stehen. Eine E-Mail lese und beantworte ich nicht mehr, wenn ich abends zuhause bin, sondern direkt von unterwegs. Übertragen auf die Polizei heißt das, dass künftig viel mehr Informationen vor Ort zur Verfügung stehen und diese auch verarbeitet werden können: »Wen habe ich vor mir? Gibt es in der Nähe ausstehende Haftbefehle? Wo befinden sich meine Kollegen? Haben wir für den Fingerabdruck auf der Fensterscheibe Treffer in unseren Datenbanken?« Die Beantwortung dieser Fragen beschäftigt schon jetzt Denis Schubert, Digitalisierungsexperte im Referat Grundsatzfragen der Informations- und Kommunikationstechnik in der Polizeiabteilung des Innenministeriums, denn sie werden in Zukunft auch direkt vor Ort vorhanden sein. »Wir entlasten die Polizistinnen und Polizisten, damit sie mehr Zeit für ihre eigentliche Arbeit haben: für Sicherheit und Ordnung zu sorgen«, sagt Reul.
Dies ist das ausgegebene Ziel aller Überlegungen: Die Arbeit der Polizistinnen und Polizisten effektiver und einfacher zu machen. Doch natürlich stellen sich mit dem technischen Fortschritt auch neue Herausforderungen bei der Bekämpfung von Kriminalität. Stichwort: Cybercrime und Datenauswertung.
So soll das IT-Verfahren zur »Datenbankübergreifenden Analyse und Recherche – DAR« auf alle polizeilichen Datenbanken zugreifen. So entsteht eine integrierte Plattform mit einheitlicher Benutzeroberfläche, die eine umfassende Auswertung und Analyse ermöglichen soll. Schon von Oktober an soll im LKA der Betrieb aufgenommen werden, weitere Behörden folgen sukzessive.
Auch »SKALA«, das System zur Kriminalitätsauswertung soll ausgebaut werden. Seit Oktober 2019 läuft ein Pilotversuch zur räumlichen Ausweitung. Hierbei wird ein neuer Algorithmus zur Berechnung des Risikoprofils pilotiert. Bei positivem Verlauf wird die räumliche Ausweitung von SKALA auf dem Land so schnell wie möglich erfolgen. So soll auch der Bürger davon profitieren: Noch in diesem Jahr ist eine Einbruchgefahrinformation per App auf Basis der Daten geplant.
Auch der Bereich Verkehr wird sich radikal ändern. Die Digitalisierung wird zur zentralen Grundlage der Mobilität von morgen. Ein Beispiel ist der Bereich der Car2Car-Kommunikation. Autos informieren sich untereinander vollautomatisch über Verkehrsverhältnisse oder warnen einander vor Hindernissen, tauschen Informationen über Parkplatzkapazitäten oder sich anbahnende Staus aus. Das erhöht nicht nur die Sicherheit im Straßenverkehr, sondern optimiert den gesamten Verkehrsfluss. Die Einführung von Systemen des automatisierten und vernetzten Fahrens im Straßenverkehr wird kommen. Autonome Shuttlebusse werden in Testfeldern bereits eingesetzt.
Die Technik wird den Straßenverkehr erheblich verändern und sich natürlich entsprechend auch auf die Arbeit der Polizei auswirken. Beispiele dafür sind die Beweissicherung bei Verkehrsunfällen, die Verkehrsüberwachung, das Hacken der Fahrzeuge von außen, das Beeinflussen von Fahrentscheidungen bis hin zum Fremdsteuern der Fahrzeuge. Die Polizei muss diesem Trend auf Augenhöhe begegnen.
Das Thema Sicherheit ist hierbei ein Kernaspekt. Um diese sicher zu gestalten und gleichzeitig den Datenschutz zu gewährleisten, müssen neue Verfahren und Prozesse entwickelt werden. Dazu bedarf es einer gemeinsamen Steuerung. Alles muss an einer Stelle zusammengeführt werden. Die Polizei hat die Herausforderung, die Komplexität der Gesamtthematik zu beherrschen, Kompetenzen zu bündeln, die Innovationsfähigkeit der Polizeiorganisation zu verbessern, bereichsübergreifende Prozesse über alle Kernaufgaben langfristig einzurichten und »unseren Weg zur Digitalisierung« zu bestreiten, bringt Denis Schubert es auf den Punkt.
Helfen sollen dabei auch Kooperationen des Innenministeriums mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, dem Fraunhofer Institut sowie Verbänden der IT-Wirtschaft. Die Möglichkeiten der Kooperation reichen von der Nutzung künstlicher Intelligenz bei der Auswertung digitaler Daten bis zum Einsatz von Drohnen in verschiedenen Einsatzgebieten des Polizeialltags.